Delegationsreise in die Türkei August 2025 - Bericht über den politischen Austausch zwischen den Jusos Bezirk Hannover und der CHP-Jugend in Ankara und Istanbul

Im Rahmen eines politischen Austausches reiste unsere Delegation der Jusos aus dem Bezirk Hannover in die Türkei, um die Zusammenarbeit mit der Republikanischen Volkspartei (CHP) zu vertiefen und ein Zeichen der Solidarität für Ekrem Imamoğlu zu setzen. Ziel war es, den Dialog zwischen jungen Sozialdemokrat:innen in Deutschland und der Türkei zu stärken und gemeinsame Werte von Freiheit, Demokratie und sozialer Gerechtigkeit hervorzuheben.
Die Reise begann am Sonntag mit dem Flug von Bremen nach Ankara. Bereits am Montagvormittag stand das erste gemeinsame Treffen mit Vertreter:innen der CHP auf dem Programm. Begleitet wurden wir von Yusuf Karacan, der als Mitglied der CHP in Deutschland den Austausch organisatorisch unterstützte. Hinzugestoßen sind später noch Osman Can Akdeniz, Emin Yusuf Altun und Mehmet Ali Girgin, ebenfalls von der CHP-Jugend in Deutschland, die uns insbesondere bei der Übersetzung und Koordination vor Ort behilflich waren.
Ein zentraler Programmpunkt des Tages war der Besuch von Anıtkabir, dem Grab- und Ehrenmal des türkischen Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk. Dort erhielten wir eine Führung, die uns die historische Bedeutung des Ortes und Atatürks Rolle in der Gründung der modernen Republik Türkei eindrucksvoll näherbrachte. Im Rahmen einer Kranzniederlegung erwiesen wir Atatürk die Ehre und unterstrichen damit unseren Respekt vor den demokratischen Errungenschaften der türkischen Republik.

Im Anschluss besuchten wir die CHP-Parteizentrale in Ankara, wo wir herzlich von den Parteimitgliedern empfangen wurden. In intensiven Gesprächen tauschten wir uns mit Cem Aydın (Vorsitzender der Jugendorganisation), Sevgi Kılıç (Stellvertretende Vorsitzende der CHP, zuständig für Jugend und Sport) und Ensar Aytekin (Abgeordneter der Republikanischen Volkspartei in Balıkesir. Mitglied der türkischen Großen Nationalversammlung) über aktuelle politische Entwicklungen und Herausforderungen aus.

Auch ein Gespräch mit Vertreter:innen der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) im Ankara-Büro am Nachmittag bot uns wertvolle Einblicke in die politische Lage.

Der Abend endete mit einem gemeinsamen Abendessen, das den persönlichen Austausch vertiefte, sowie einer anschließenden Bootstour, bei der die freundschaftliche Atmosphäre weiter gestärkt wurde. Hierbei trafen wir auch den Vorsitzenden der CHP in Ankara Ümit Erkol und den Bezirksbürgermeister sowie weitere junge Parteimitglieder der CHP-Jugend in Ankara.

Der Dienstag begann mit einem offiziellen Treffen mit dem Bürgermeister von Ankara, Mansur Yavaş. In einem offenen Gespräch, welches auch medial begleitet wurde, erhielten wir Einblicke in seine Arbeit und die sozialen Projekte und Ideen in der und für die Stadt. Da Yavaş nur selten internationalen Besuch empfängt, war es uns eine besondere Ehre, die Zeit zum Gespräch mit ihm gehabt zu haben. Dabei konnte Yavaş einen tieferen Einblick auch in politische Maßnahmen gewähren, die in Ankara für die soziale Gerechtigkeit vorgenommen.

Im weiteren Verlauf besuchten wir ein Jugendzentrum, das jungen Menschen in Ankara vielfältige Bildungs- und Freizeitangebote eröffnet. Dort erhielten wir eine Führung und konnten die Bedeutung solcher Einrichtungen für gesellschaftliche Teilhabe hautnah erleben. Einen kurzen Vortrag hielt uns die Vorsitzende des Jugendparlaments von Ankara, die u.a. in den Ausbau, der über 10 Kultur- und Freizeitzentren in Ankara involviert ist.
Mit dem Bus, der uns dankenswerter Weise durch die CHP gestellt wurde, ging es weiter zur Großen Nationalversammlung der Türkei. Ein besonders aufschlussreiches Gespräch fand dort mit dem Abgeordneten und stellv. Fraktionsvorsitzenden der CHP Murat Emir statt. Darüber hinaus hatten wir die Möglichkeit, das türkische Parlament zu besichtigen. Während der Führung wurden unsere Fragen zu z.B. Struktur und Arbeitsweise beantwortet, wodurch wir ein tieferes Verständnis für die Funktionsweise der türkischen Demokratie erhielten. Für uns selbst fand dabei auch eine Bewertung mit Blick auf die Mehrheitsverhältnisse und das Präsidialsystem Erdogans, welches faktisch die Gewaltenteilung abschafft, statt. In der Kantine des Parlaments konnten wir uns bei einem Essen auf Einladung Murat Emirs stärken.
Am Mittwoch führte unsere Reise schließlich mit dem Zug von Ankara nach Istanbul, wo das nächste Kapitel des Austauschs begann.
Nach der Ankunft aus Ankara erwartete uns direkt die FES in Istanbul mit der wir interessante Gespräche mit thematischem Schwerpunkt auf Gewerkschaften in der Tükei und den aktuellen Friedensprozess mit den Kurd*innen führten . Anschließend machten wir uns auf dem Weg zu einer Kundgebung der CHP in der wir auf den Vorstand der Jugendgruppe CHP Istanbuls trafen. Ebenso konnten wir hier mit jungen Aktivist*innen sprechen, die die Bewegung gleich in ihren Anfängen bedeutend prägten und teilweise auch eine Festnahme auf Demonstartionen überstanden haben. Mit einer enormen Masse an jungen Menschen marschierten wir durch den Bezirk Beyoğlu, um für die verhafteten Bürgermeister zu demonstrieren - unter anderem auch dem von Beyoğlu. Unsere Bezirksvorsitzende Lisa Jarmuth war dabei ganz vorne neben dem Vorsitzenden der CHP Jugend in der Türkei dabei. Nach einem langen Weg gelangten wir an Endpunkt des Marsches zur noch größeren offiziellen Kundgebung, wo führende Persönlichkeiten der CHP Reden hielten, darunter der Fraktionschef Özgür Özel. Wir als Jusos haben internationale Standhaftigkeit gezeigt für unsere Genoss:innen in der Türkei. Nach dieser umfangreichen Kundgebung sind wir begleitet von der internationalen Sekretärin der CHP in einem der ältesten Istanbuler Restaurants am späten Abend traditionell Essen gegangen.

Unser nächster Tag führte uns in die Zentrale der CHP in Istanbul, wo wir vom Vorsitzenden der CHP Istanbul, Özgür Çelik, empfangen wurden. Nach einer herzlichen Begrüßung und einer ausführlichen Vorstellungsrunde schilderte Çelik die aktuelle politische Lage in der Türkei sowie die bevorstehenden Herausforderungen für seine Partei. Er rief insbesondere die EU-Staaten zu klareren Positionierung gegen Erdogans undemokratisches Vorgehen auf und begrüßte auf der anderen Seite, den freundschaftlichen und solidarischen Austausch der Jusos und CHP-Jugend. Wir als Jusos bekräftigten in diesem Gespräch unsere volle Solidarität mit der CHP. Die von uns gestellten Fragen wurden von Çelik klar und umfassend beantwortet, sodass wir wertvolle Einblicke in die gegenwärtige Situation gewinnen konnten. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen zeigte sich der Vorsitzende zuversichtlich und betonte die entscheidende Rolle von Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu. Er zeichnete ein optimistisches Zukunftsbild, das eine Demokratisierung der Türkei vorsieht und die soziale Gerechtigkeit ins Zentrum politischer Arbeit stellt. Das Gespräch hinterließ bei uns einen nachhaltigen Eindruck. Im Anschluss tauschten wir Geschenke aus und hielten diesen Moment in gemeinsamen Fotos in der CHP-Zentrale fest.
Nach einer weiteren, wie für Istanbul üblich, wilden Taxifahrt, kamen wir erneut zu einem gemeinsamen Abendessen mit der CHP-Jugend und der internationalen Sekretärin der CHP zusammen.
Am nächsten Morgen hatten wir die Gelegenheit, die Organisation Kadının İnsan Hakları zu besuchen, die sich mit großem Engagement für Frauen- und LGBTQ+ Rechte einsetzt. In einer herausfordernden Zeit für Frauen in der Türkei leisten die dort aktiven Frauen beeindruckende Menschenrechtsarbeit. Wir erhielten einen tiefen Einblick in ihre Arbeit und sind von ihrem Einsatz und ihrer Entschlossenheit nachhaltig beeindruckt.

Am Nachmittag blieb dann etwas Zeit, um die kulturellen und historischen Seiten Istanbuls zu besichtigen, bevor wir am Abend zwei Aktive trafen, die uns offen über ihre Erfahrungen im Gefängnis berichteten. Beide Personen sind Mitglied der eigens gegründeten Organisation Tutuklu Gençler Platformu und wurden im Zusammenhang mit den Protesten für die türkische Demokratie für jeweils 20 Tage festgenommen. Die Erfahrungsberichte aus der Haftzeit und die durchaus gewaltsamen Umstände der Festnahme schilderten beide erschreckend gefasst. Ihr starkes demokratisches Engagement hat uns sehr beeindruckt und verdeutlicht, welche persönlichen Risiken mit dem Einsatz für Freiheit und Demokratie verbunden sind.

So ging mit dem letzten gemeinsamen Essen eine beeindruckende Delegationsreise zu Ende, am nächsten Samstag traten wir unseren Rückflug nach Bremen an. Wir als Jusos stehen solidarisch an der Seite aller jungen Menschen in der Türkei, die unter Einsatz ihrer Freiheit für die türkische Republik und ihre demokratischen, säkularen Wurzeln protestieren und bekräftigen unsere Unterstützung im Sinne der internationalen Solidarität. Großer Dank geht an alle, die diese Reise möglich gemacht haben – sei es durch Spenden, die Organisation oder die Bereitschaft sich mit uns zu treffen.