Die Jusos Bezirk Hannover wenden sich mit einem Brief an die SPD-Bundestagsabgeordneten und -kandidat*innen im Bezirk Hannover und fordern die sofortige Einrichtung einer Luftbrücke nach Afghanistan.

Liebe*r Genoss*in,

dieser Brief des Juso-Bezirksvorstandes erreicht dich als SPD Bundestagsabgeordnete*r bzw. als SPD-Bundestagskandidat*in in unserem Bezirk Hannover wegen der aktuellen Situation in Afghanistan. Wir bitten dich inständig, dass du dich im Rahmen deines Mandats bzw. deiner Kandidatur für unsere Forderungen, wie beispielsweise die sofortige Einrichtung einer Luftbrücke für alle gefährdeten Personengruppen einsetzt.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 begannen die militärischen Operationen in Afghanistan. Unter verschiedenen Mandaten (u.a. OEF, ISAF und Resolute Support) versuchten zeitweise über 130.000 Streitkräfte nach der Ausrufung des ersten NATO-Bündnisfalls das internationale Terrornetzwerk al-Qaida und das Regime der Taliban zu zerschlagen sowie mit Sicherheits- und Aufbaumissionen das Land zu stärken. Das Ende des Afghanistan-Einsatzes wurde indes nach fast 20 Jahren am 14. April 2021 vom NATO-Rat beschlossen, nachdem die Biden-Administration angekündigt hatte, ihre Truppen abziehen zu wollen. Die Rückverlegung der NATO-Kräfte folgte schließlich im Mai 2021 und wurde am 16. Juli 2021 abgeschlossen. In den darauffolgenden vier Wochen entwickelte sich die innenpolitische Lage zu einer Farce nicht nur für die Weltgemeinschaft und die Politik des transatlantischen Bündnisses, sondern vor allem auch für die vielen Personen in Afghanistan, die mit dem erneuten Erstarken der Taliban um ihr Menschenleben fürchten müssen. Innerhalb von nur vier Wochen haben es die Taliban, entgegen fundamental falschen Einschätzungen, geschafft das gesamte Land und wichtige Städte wie Kandahar, Masar-i-Scharif und eben zuletzt auch die Hauptstadt Kabul einzunehmen.

Auch wenn die Lage in Afghanistan unübersichtlich erscheint, wurden schon seit längerer Zeit die Augen vor der Situation in Afghanistan und die Folgen des Truppenabzugs verschlossen. Seit Dezember 2016 wurden insgesamt über 40 Sammelabschiebungen von Geflüchteten allein vom Flughafen Hannover-Langenhagen in das Bürgerkriegsland Afghanistan vollzogen. Die letzten Sammelabschiebungen wurden verantwortungslos im Juli 2021 durchgeführt, also zu einem Zeitpunkt, bei welchen die Taliban bereits auf dem Vormarsch waren, diverse Anschläge verübten und die Hälfte der Bezirke Afghanistans eingenommen haben.

Die verstörenden Bilder und Videosequenzen der letzten Tage aus Kabul machen uns bestürzt und fassungslos: Von den Taliban gefährdete Menschen sehen keinen anderen Ausweg, als sich an die Tragfläche eines startenden militärischen Transportflugzeuges zu hängen. Das sind schutzbedürftige Menschen wie afghanische Ortskräfte und deren Familien, die die Sicherheits- und Aufbaumissionen in Afghanistan unterstützt haben. Das sind schutzbedürftige Menschen wie Journalist*innen, auch deutscher Medienhäuser, ohne die es keine freie Berichterstattung gegeben hätte. Das sind schutzbedürftige Menschen, die
sich für Frauen*rechte und für die Rechte von Minderheiten eingesetzt haben. Das alles sind schutzbedürftige Menschen, die ihr Leben an einer Tragfläche eines fliegenden Flugzeuges lassen, um nicht in die Hände der Taliban zu geraten. Und vor allem sind es reale Bilder und Schicksale, für die wir eine Verantwortung haben und vor denen wir nicht schon wieder die Augen verschließen dürfen. Deshalb fordern wir euch als unsere Bundestagsabgeordnete sowie Bundestagskandidierende im SPD Bezirk Hannover auf:

  • Die sofortige Einrichtung einer Luftbrücke um alle gefährdeten Menschen (Ortskräfte, Frauenrechtler*innen, Mitglieder der LGBTQIA+-Community, Demokrat*innen, Künstler*innen, Medienschaffende, Menschenrechtsaktivist*innen, Subunternehmer*innen der Bundesrepublik Deutschland) sowie Familiennachzug mit einem unbürokratischen Visa-on-arrival-Verfahren auch ohne Reisepass zu evakuieren.
  • Den Flughafen in Kabul militärisch zu sichern, um Evakuierungsflüge zu ermöglichen.
  • Es müssen unabhängig von Priorisierungen so viele Evakuierungsflüge wie möglich durchgeführt werden, um möglichst viele Menschenleben zu retten.
  • Umfassende Katastrophenhilfe für Binnenflüchtende in Nachbarländer Afghanistans.
  • Sichere Wege für alle Menschen, die vor den Taliban fliehen müssen und die Entkriminalisierung der Flucht nach Europa.
  • Aussetzung aller Abschiebungen und Zwangsrückführungen.


Mit sozialistischen Grüßen,
Marco Albers und Toni Hillberg
Vorsitzende Jusos Bezirk Hannover